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Armatus Liandris Digitalbearbeitung „Das Grauen“ stellt den Bischof von Augsburg Walter Mixa dar. Dieser ist mit leicht verzerrtem Gesicht und schreckhaften Zügen – geöffnetem Mund und nach unten gezogenen Mundwinkeln, aufgerissenen Augen und angehobenen Brauen, gerötetem und leicht fleckigem Gesicht vor einem Höllenszenario abgebildet, in dem nackte Personen in einem Feuer zu sehen sind.

Die Szenerie des Hintergrundes ist irreal, der Bischof lenkt seinen Blick auch nicht dorthin sondern sieht leicht zum Betrachter: Er wendet seinen Blick ab vom Grauen, dass scheinbar nur in seiner Phantasie stattfindet. Das Bild wurde erstellt im Rahmen der Diskussion über den sexuellen Missbrauch in katholisch orientierten Organisationen aus Anlass eines vom Bischof gegebenen Interviews. Dort wird Bezug genommen auf das Zölibat. Das Bild verdeutlicht nun durch die nackte im Höllenfeuer befindliche Person den Sexualbezug der katholischen Lehre: Die eigentlichen Freuden des Körpers werden durch die Lehre der Kirche zur Sünde, zu etwas bösem, dass durch harte Folter in der Hölle bestraft gehört. Dementsprechend findet auch die Bestrafung selbst mit einem Sexualbezug statt, der nach der mittelalterlichen Darstellung des Hintergrundes geradazu sadistische Züge annimmt, indem Nacktsein – also Gedanken der Sexualisierung – und Folter verknüpft werden.

Eben dies ist der Bezug zum Schrecken des Bischofs, der das Zölibat preist, also die komplette sexuelle Enthaltsamkeit und dies in Bezug setzt zu den Leiden Christi, der am Kreuze zu Tode gefoltert wurde. Ein Bezug zur sexuellen Enthaltsamkeit Christi selbst verbietet sich dagegen mangels biblischer Anhaltspunkte. Die sexuelle Enthaltsamkeit wird damit zu den Folterqualen Christi in vergleichbare Relation gesetzt, der Verzicht auf die Erfüllung sexieller Lust wird zur bewussten masochistischen Selbstfolter durch Enthaltsamkeit. Die Lust – eigentlich etwas schönes – wird für Menschen innerhalb dieses Moralsystems pervertiert zum Schrecken, zum Bösen, zur teuflischen Verführung, der es zu widerstehen gilt.

Die Verknüpfung des rein außerhalb des Bildes stehenden Interviews und der Haltung des Bischofs nur durch den Titel „Das Grauen“ mißlingt eher – jedoch spricht das bischöfliche Ornat auch ohne konkrete Aussage direkt für die zölibatere und selbstgeißelnde Sexualmoral der katholischen Kirche.

Interpretation von Christa Klarfju, 18.02.2010

Bishops Soulbath

Interpretation von Christa Klarfju

Das Bild des Digital-Künstlers Armatus Liandri „Bishops Soulbath“ aus dem Jahr 2009 ist eine computergestützte Bearbeitung eines Pressephotos [Anm: Link] des Bischofs Prof. Dr. Dr. hc. mult. Gerhard Ludwig Müller.

Bishops Soulbath – also Bischofs Seelenbad – scheint hier eine Anspielung zu sein auf die spiegelnde Oberfläche, die vielleicht auch als Wannen mit quecksilbrig-flüssigem Inhalt verstanden werden können. Die quecksilbrige Flüssigkeit soll hier aber anscheinend keine Anspielung sein an die „Gedanken-Erinnerungsschüssel“, wie sie in den Harry-Potter Filmen im Büro des Hogwarts Schulleiters Dumbeldore auftauchen, sondern es geht um Eigenschaften der Seele, worunter nichtheologisch auch das Wesen eines Menschen verstanden wird.

Im mittleren Bereich sehen wir das gesamte Gesicht des Bischofs, dass jedoch aufgrund der Unterteilungen des Seelenbades etwas eingezwängt wird in die quadratische Form des Beckens. In den daneben liegenden Feldern spiegelt sich sein Gesicht leicht verzerrt wieder: Auf der linken Seite ist sein Mundwinkel leicht nach oben gezogen und er lächelt, auf der rechten Seite dagegen zieht er ihn nach unten und er sieht trauriger und resignierter aus. Oben erscheint seine Mundpartie zusammengedrückt und nach oben gezogen, fast wie bei einer Bulldogge, trotzig und massig, unten dagegen erblickt man nur Mund und markantes Kinn, welches einen kämpferisch-aggressiven Ausdruck hat. Die übrigen, kaum zu erkennenden Felder, enthalten Mischausdrücke der Mimiken.

Das Seelenbad scheint hier durch seine aufsplitternde Spiegelung die Facetten der Seele des Bischofs anzuzeigen, die jeweils nach seiner vorherrschenden Grundauffassung im mittleren Feld nur begrenzt in Richtung weiterer Emotionen abwandelbar sind. Das Bad zeigt hier, was aus der jeweils vorherrschenden Stimmung des Betrachters an Facetten der Emotionen möglicht ist, gleichsam als Spiegel der Seele.

Begreifen wir das Bild als ein silbriges Bad, in dem man sein eigenes Spiegelbild erblickt, so liegt die Besonderheit von „Bishops Soulbath“ darin, dass wir nicht unser eigenes Gesicht sehen, sondern erblicken, was der Bischof beim Blick in das Bad erkennen würde. Dies vereinfacht es, uns in die Seele des Bischofs hinein zu denken und seinen Zustand zu verstehen. Indem wir die möglichen Extreme seiner Stimmung in den Randbereichen angedeutet erkennen können, wird es uns leichter, sein in der Mitte vorhandenen aktuellen Zustand seiner Seele einzuordnen und gleichsam zu erfahren.

Beim Betrachten fühlen wir, dass der Moment des Bildes keinen glücklichen Augenblick des Bischofs zeigt, sondern dass sich verschiedene Emotionen von Trauer, Anspannung und Resignation mischen und einen komplexen Gesamteindruck vermitteln. Dies spricht für eine Konflicktsituation und Belastungslage im Zeitpunkt der Aufnahme. Die in Vergleich zum Pressebild graustichiger angesetzten Farben sind dem Seelenzustand des Portraitierten angepasst.

Insgesamt ein gelungenes Werk digitaler Bildbearbeitung, das durch ihren Titel das Werk verständlich macht und durch seine Idee besticht.

Christa Klarfju